BMX (Im Prinzip Weiss)

1973 – 1978

Das BMX: Nur Fliegen sind schöner

Das BMX: Nur Fliegen sind schöner

Nachdem es mir nicht gelungen war mein Vaterland durch übertriebenes Tuning in ein einigermaßen cooles Gerät zu verwandeln, bekam ich überraschend die Chance von einem meiner besten Freunde damals, Dietmar Beck ein altes und verhunztes BMX Rad zu kaufen. Vielleicht war es auch, nach heutiger Definition ein Bonanza Rad. Es hatte hinten eine 5 Gang Schaltung mit Schaltwerk. Das Schaltwerk war noch dran, aber der Rest der Schaltung fehlte komplett. Das war aber egal, die Kette lief auf dem kleinsten Ritzel und selbst damit und bei voller Kraftanstrengung kam ich auf maximal 25 km/hr den Berg runter. Mehr war schon aufgrund mangelnder Berge und mangelnder Bremsleistung vorne nicht möglich. Ausserdem lag es auch an der Tatsache, dass der Sattel gefühlte 15cm über der Kurbel lag und an dem Lenker. Der war wirklich einzigartig. Er war wie ein umgekehrt nach oben montierter Rennlenker nach vorne geschwungen, kam dann nach langer Zeit wieder zurück, aber viel zu weit, eigentlich fast bis zum Sattel und endete dann in horizontalen Griffen. Das wäre eine gute Aufgabe für die Statikklausur im Studium gewesen. Aus dem Rohr des Lenkers alleine hätte man bequem einen neuen Rahmen fertigen können.

Das Rad bekam dann erst einmal eine großen, schlecht- und selbstgemachten Aufkleber auf dem der Welt verkündigt wurde:

NUR FLIEGEN SIND SCHÖNER

Das hatte ich mir aus der deutschen Ausgabe der MAD abgesehen, die ich damals köstlich komisch fand. Jedenfalls war das ein völlig abgefahrenes Akrobatikrad mit dem wir bei uns im Garten fuhren auf selbstgebauten Hindernis-parcouren und auf der Straße versuchten Wheelies zu machen. Bei einem Sprung über die zwei Stufen von unserem Garten in den meiner Großeltern passierte es dann: Ich riß den Lenker hoch und der verzog sich dabei dermaßen, das ich mal wieder auf die Fresse  fiel. Der Lenker war dann hinüber so dass ich zu dem Mann mit der dicken Zigarre im Radladen ging und mir einen neuen besorgte. Eben den, der auch auf dem Foto ist.

Unglaublicherweise hatte dieses Rad auch zwei Bremsen, eine Klingel und eine Vorder- und Rücklampe. Das war aber nur der Tatsache geschuldet, dass wir an einem ADAC Radwettbewerb teilgenommen hatten und die Teilnahme war nur mit Verkehrssicheren Rädern erlaubt.Markant ist auf jeden Fall die Position der linken Bremse am Lenker die den Trend heute bei Fixies die Bremse an möglichst unpraktischen Stellen zu fixieren (Vorbau, Rahmen, Handgelenk) um Jahre vorwegnimmt. Vielleicht ist mir auch nur die Bremszughülle ausgegangen.

Wie man auch auf dem Bild sehen kann ist da Rad voll Crosscountry tauglich. Wir haben das in Gladbach vor allem auf der Landwehr getestet, auf dem Foto sitzt mein Freund Stefan Martellock auf dem BMX. Das allerwichtigste aber blieb die Aufgabe auf dem Rad Wheelies zu machen und möglichst lange auf dem Hinterrad zu fahren. Am besten ist mir das an dem Tag gelungen, wo ich den Lenker hochriss und, da ich vergessen hatte die Achse des Vorderrades festzuschrauben, dieses sich verabschiedete. Ich versuchte also möglichst lange auf dem Hinterrad zu fahren, bis die Gabel auf den Boden krachte ich mal wieder auf der Fresse lag.

Andere coole Beschäftigungen mit dem Rad waren Bike Polo, wir hatten ein cooles Set von Plastikcrocketschlägern mit denen wir immer spielten, und einen unserer Freund auf dem Skateboard zu ziehen. Oft fuhren wir zu viert auch Rennen auf unserem Lieblingsparcour am Gesundheitsamt.

Leider begann dann irgendwann und irgendwie doch die Pubertät und coole Beschäftigungen an denen man sich auch dreissig Jahre später noch erfreuen kann (Radfahren, schrauben, mit Freunden über Räder quatschen) wurden ersetzt durch Dinge wie Mädels, Mädels anbaggern und über das Anbaggern von Mädels quatschen. Irgendwie blieb da auch das BMX auf der Strecke und wurde von meinen Eltern entsorgt.
Aber der Lenker, der war ein Wahnsinn.

Ein Kommentar

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Eine Antwort zu “BMX (Im Prinzip Weiss)

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